Lingua

(von Luca Panieri - IULM Universität von Mailand)

Im Laufe seiner vier Jahrhunderte schriftlicher Zeugnisse hat die zimbrische Sprache nie eine echte und eigene Phase der orthographischen Standardisierung erreicht, die mit der von Nationalsprachen vergleichbar wäre; hingegen haben Schreibweisegewohnheiten verschiedener Art einander gefolgt, oft inkohärent und wechselhaft, sowohl in Bezug auf die Zeit als auch auf den Verfasser des Textes. Die Produktion aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert zeigt jedoch zumindest in einigen Punkten eine relative Homogenität der Schreibweise. Mit der Implementierung der neuen computerisierten lexikalischen Datenbank (http://dizionario.cimbri7comuni.it/), die das zimbrische Lexikon aus so vielen unterschiedlichen Quellen für Rechtschreiblösungen zusammenstellen musste, wurde es notwendig, strikte Standardisierungsprinzipien bei der Lemmatisierung lexikalischer Daten zu übernehmen, die die orthographische Inhomogenität der Quellen selbst vollständig beseitigen würden und somit eine einfache Abfrage der Lemmata ermöglichen. Ohne diese Maßnahmen wäre selbst die alphabetische Ordnung der zimbrischen Lemmata problematisch gewesen. Um die Frage besser zu klären, sei der Fall des Lemmas saltz ‘Salz’ betrachtet, das in den angeführten Quellen wie folgt geschrieben wird: saltz (Schmeller, erste Hälfte des 19. Jahrhunderts), salz (Vescovi, Mitte des 19. Jahrhunderts), zaltz ( Martello, 1975) śaltz (Bellotto, 1983); oder der Fall der Lemmata vischan ‘fischen’ und bizzan ‘wissen’, die jeweils als vischen und bizzen (Vescovi), beide bissan (Martello), višan / vischan und bissan (Bellotto), belegt sind. Die Erarbeitung der in der Datenbank festgelegten Rechtschreibregeln ist das Ergebnis einer sorgfältigen Prüfung der Rechtschreibschwankungen, die in der auf Zimbrisch geschriebenen Produktion nachgewiesen werden, im Hinblick auf die Kenntnis der Sprachgeschichte. Die Grundsätze der Normalisierung basieren im Wesentlichen auf dem Kompromiss zwischen mehreren grundlegenden Kriterien: a) Respektierung der häufigsten orthographischen Gewohnheiten in historischen Quellen; b) Suche nach Lösungen, die so weit wie möglich mit denen der anderen zimbrischen Sprachinseln übereinstimmen; c) berechtigte Rechtschreibungsentscheidungen angesichts phonologischer Studien, die zu dem Zeitpunkt durchgeführt wurden, als die Sprache in all ihren dialektalen Nuancen noch blühte. Was sich aus der Anwendung der eben genannten Prinzipien ergibt, ist ein Rechtschreibsystem mit historischer Tiefe, wie es im Allgemeinen das von Landessprachen ist.

Die Rechtschreiberegeln

Allgemeine Regeln:

Es folgt ein Verzeichnis der Rechtschreiberegeln, die in der Lexikalischen Datenbank angewandt wurden, wobei Gewicht auf die kompliziertesten Punkte gegeben wird und die naheliegendsten weggelassen werden.

Betonungs und diakritische Zeichen

  1. In Zweisilbern wird der Akzent nur dann bezeichnet wenn die Betonung auf die letzte Silbe fällt: nennòch ‘nicht einmal’,  mannàtz ‘großer kräftiger Mann’.
  2. In Mehrsilbern ist die Bezeichnung des Akzents notwendig, da nicht immer dessen Position vorhersehbar ist, auch wegen der vielen Lehnwörtern aus dem Romanischen: spràngala ‘Stuhllehne’, frèkkalle ‘Viertel Liter’, fortàja ‘Eierkuchen’, mittanàndar ‘miteinander.
  3. Der Akzent wird auch eingefügt, wenn dem Wort ein Enklit angehängt wird: gìmmarz! ‘gib es mir!’, sàinta ‘es sind’, hàsto ‘hast du’, lùugich ‘schaue ich’. Dies um das Lesen und Interpretieren komplexer Formen zu erleichtern.
  4. Der Akzent oder Umlaut wird bei langen Vokalen nur am ersten Vokal angezeigt: bóol ‘wohl’, gòoze ‘Ziegen’, pèero ‘Bär’, péera ‘Beere’, schöon ‘schön’, müude ‘müde’.
  5. Die langen Vokale ‹aa› [a:] und ‹uu› [u:] sind immer betont, deshalb wird der Akzent nicht angegeben, außer in den unter Punkt c) vorgesehenen Fällen: gomarjaal ‘Schurz’, gapuult ‘umworben’.
  6. Das soeben gesagte gilt auch für die Diphtonge ‹ai›, ‹au›, ‹aü›, ‹ia› ‹ua›; also: pasaiten ‘beiseite’, parsaun ‘Gefängnis’, dorstrpalan ‘umherstreuen’, partiart ‘abgefahren’ (Part. Perf.), darzua ‘dazu’.
  7. Bei den betonten Vokalen ‹o› und ‹e› geben der Gravis- oder Akut-Akzent, den Öffnungsgrad an. Für den Vokal ‹e› ist die Angabe des Akzents auf der betonten Silbe obligatorisch: nèst ‘Nest’, gèban ‘geben’ gegenüber rénkh ‘Ring’ légan ‘legen’. Für den Vokal ‹o›  ist er nur dann obligatorisch, wenn er auf einen geschlossenen Vokal ‹ó› [o] hinweist, z. B. in dórre ‘dürr’, óven ‘Ofen’ oder wenn er auf den offenen Vokal ‹ò› [ɔ] angibt in Lehnwörtern wie bòtta ‘mal’; ansonsten wird das einfache Graphem ‹o› verwendet, dessen Aussprache unter den letzten Sprechern nunmehr identisch mit der von ‹ò› war, aber ursprünglich war sie deutlich weniger offen ausgesprochen, etwa wie [o̞] (Kranzmayer 1981†, 1985†): bolf ‘Wolf’, voll ‘voll’, hoff  ‘Hof’.
  8. Aus praktischen Gründen wird der Akzent nie auf  die Grapheme ‹ö› und ‹ü›, gesetzt, auch wenn sie betonte Vokale sind: formüll ‘Maikäfer’, zorlöont ‘(sie) schmelzen’.

Vokale und Diphtonge

  1. Der in der vorletzten unbetonten Silbe der dreisilbigen Wörter vorhandene zentrale Vokal [ɐ] ist mit ‹a› angegeben: vìngare ‘Finger’ (Pl.), glèsale ‘Gläschen’, pèsamo ‘Besen’.
  2. Die halblangen Vokale werden wie die kurzen geschrieben, aus denen sie diachronisch abgeleitet sind: zbr. hano ‘Hahn’, óven ‘Ofen’, süne ‘Söhne’. Sie treten typischerweise in offener Silbe auf, wo sie im Gegensatz zu langen Vokalen stehen: maano ‘Mond’, óoge ‘Auge’, rüufan ‘rufen’. In den betonten Endsilben können die Halblangen vor dem zbr. /n/ vorkommen, als Entwicklung alter Kurzvokale oder als phonologische Anpassung aus betonten Vokalen in romanischen Lehnwörtern. Auch in diesem Falle werden sie als Kurzvokale dargestellt: davón ‘davon’, dehìn ‘weg, fort’, vran  ‘voran, vor’, kantzùn ‘Lied’,  balì‘Zielkugel’. In Einzelfällen tritt die Mittellange auch in der betonten Endsilbe vor Konsonantenverbindungen auf, wobei sie sowohl als kurze als auch als lange gabést / gabeest  ‘gewesen’ (Part.Perf.) geschrieben werden kann.
  3. Lange Vokale werden doppelt geschrieben  jaar ‘Jahr’, guut ‘gut’, seela ‘Seele’, bakaan ‘Gutsbesitzer’. (vgl. Punkt e.).
  4. Der lange Vokal [e:], dem ahd. /ē/ entstammend oder aus ahd. /ā/ durch sekundären Umlaut entstanden, wird mit ‹ee›, wie in seela ‘Seele’, kheese ‘Käse’ angezeigt. Vor einem Jahrhundert war dieser Vokal im Allgemeinen offener ausgesprochen, wie [ɛ:] (Kranzmayer 1981†, 1985†), und stand in Opposition zu [e̝:], der diachronisch auf ahd. /ī/ in morphophonologischer Umlautumgebung zurückgeht, wie beim Fall von zimbrischen Komparativen: bait ‘weit’ → béetor ‘weiter’. Hier wurde entschieden diesen letzten Vokal als ‹ée› anzugeben, um ihn von dem vorhergenannten ‹ee› zu unterscheiden, um seinen unterschiedlichen historischen Ursprung zu unterstreichen, sowie die unterschiedliche Aussprache, die sie bis noch vor einigen Generationen hatten. Die letzten Sprecher von Mezzaselva unterschieden sie schon nicht mehr, wobei sie sie beide als [e:] (Martello, Bellotto 1975, 1985) aussprachen. Vor dem /r/, aber, hatte sich die ursprüngliche Opposition der Vokalqualität selbst in den letzten Generationen erhalten. Diesbezüglich muss bemerkt werden, dass im Zimbrischen alle ursprünglich kurzen betonten Vokale vor einfacher Liquida gedehnt werden, deshalb zbr. pèero ‘Bär’ (vgl. ahd. pero < germ. *beran-) im Gegensatz zu zbr. péera ‘Beere’ (vgl. ahd. peri < germ. *bazja-) (Panieri 2005: 64). In diesem spezifischen Kontext wurde entschieden, mit dem Akzent immer den Öffnungsgrad anzugeben.
  5. Der Digraph ‹ie› wird als [i:] ausgesprochen, wie im Standarddeutschen, aber diese Darstellung des langen Vokales ist allein für jene Fälle vorbehalten, wo er sprachgeschichtlich von einem ursprünglichen Diphtong herstammt, wie in zieghan ‘ziehen’, schiezan ‘schießen’. Man berücksichtige diesbezüglich, dass die anderen zwei zimbrischen Varianten (Ljetzan und Lusern) bis heute die ursprüngliche diphthongierte Aussprache beibehalten haben. Aus etymologischen Gründen wurde jedoch vorgezogen, den langen Vokal [i:] als ‹ii› zu schreiben, falls er diachronisch nicht auf den obengenannten Diphthong zurückzuführen sei, also typisch wenn er sich sekundär aus dem (kurzen) /i/ durch Dehnung vor einer Liquida entwickelt hat, wie in spiilan ‘spielen’, oder ihm Konsonantengruppen bestehend aus Nasallaut + stimmlosem Frikativ folgten, wie in fiistakh ‘Donnerstag’ <*(p)fingstakh. Um die nicht elegante Schreibweise ‹ii› in einem sehr häufigen Wort zu vermeiden wurde ausnahmeweise entschieden, vil [vi:l] ‘viel’ mit einfachem Vokal zu schreiben, als Ausnahme zur allgemeinen Regel.
  6. Der Diphthong, der von den letzten Sprechern als [ɔi] ausgesprochen wurde, ist mit ‹aü› angegeben: lte ´Leute’. Die Entscheidung beruht sowohl auf historischen Erwägungen als auch auf dem Prinzip der orthographischen Harmonisierung mit den anderen zimbrischen Dialektsorten, wobei auch berücksichtigt wird, dass die Aussprache des Diphthongs zu Kranzmayers Zeiten je nach Zone variierte.
  7. Es wird mit obligatorischer Verwendung des Akzents zwischen zwei Diphthonge unterschieden: ‹èa› [ɛˑɐ̯] und ‹éa› [eˑɐ̯], wie in mèar ‘mehr’ gegenüber méar ‘Meer’. Auf ähnlicher Weise wird zwischen ‹òa› [ɔˑɐ̯] und ‹óa› [oˑɐ̯] unterschieden: òar ‘Ohr’ vóar ‘vor’.
  8. Die morphophonologische Regel wird übernommen, die bereits systematisch in den von Bellotto und Martello herausgegebenen Werken vorhanden ist, nach der die in ‹a› [ɐ̯] ausgehenden Diphthonge nur in einsilbigen Wörtern vorkommen können, während sie regelmäßig in mehrsilbigen korradikalen Formen monophthongiert sind: snèa ‘Schnee’ / sneebe ‘Schnee’ (Dsg.), ròat ‘rot’ / ròota ‘rote’ (f), töar ‘teuer’ / töora ‘teure’ (f).
  9. Die ursprünglichen kurzen Vokale vor den Verbindungen in /r/ + einem alveolaren Konsonanten werden im Gegensatz zum Wörterbuch von Martello durch einen einfachen Vokal dargestellt: garto ‘Garten’, èrsinkh ‘zurück’, gèrne ‘gerne’, purda ‘Bürde’. Die Wahl wird durch die Tatsache bestimmt, dass diese Vokale ursprünglich diatopisch als kurz, halblang oder lang gemacht werden konnten, wie aus der Beschreibung von Kranzmayer deutlich hervorgeht. In Anbetracht der historischen Situation schien es angebracht, die dem etymologischen Kriterium am besten entsprechende orthographische Darstellung anzuwenden.

Konsonanten

  1. Die Unterscheidung zwischen einfachen Konsonanten und Doppelkonsonanten spiegelt die wirkliche Opposition wider, die sich auf der ‘Länge’ des Konsonanten stützt, ähnlich wie in der deutschen Sprache des Mittelalters und der italienischen Sprache selbst, jedoch in deutlichem Gegensatz sowohl zum umgebenden venezianischen Dialekt als auch dem modernen Standarddeutsch. So stehen sich zum Beispiel im Zimbrischen der Sieben Gemeinden die beiden folgenden prototonischen Formen gegenüber: éngale ‘Engel (Pl.)’ im Vergleich zu éngalle‚ Engelchen.
  2. Die Endkonsonanten der lexikalischen Wurzeln werden nur dann doppelt geschrieben, wenn die Struktur der Wurzel selbst die Verdoppelung darstellt: mann ‘Mann’ vgl. manne ‘Männer’, lupp ‘Luppe’ vgl. in luppe ‘geronnen’. Diese Regel ermöglicht es, die Wörter, bei denen der Endkonsonant aufgrund der allgemeinen Auslautverhärtung der stimmhaften Okklusiven als stimmlos erscheint, klar zu unterscheiden. In diesem Falle wird er als einfacher geschrieben: stap ‘Stab’ vgl. stébar ‘Stäbe’.
  3. Der zimbrischen orthographischen Tradition entsprechend und aus offensichtlichen praktischen Gründen wird mit ‹b› das zimbrische /b/ dargestellt, welches im Anlaut fast immer vom ahd.  /w/ stammt, wie in bintar  ‘Winter’, bazzar ‘Wasser’, sowie in den anlautenden Konsonantengruppen ‹sb› und ‹zb›, wie in sbéstar ‘Schwester’ und zbeen ‘zwei’; und manchmal sogar im Inlaut, wie in plaabe ‘blau’, vèrban ‘färben’. Ansonsten repräsentiert ‹b› meistens das ahd. /b/, wie in ban ‘geben’, halba ‘Halbe’, èrbot ‘Arbeit’. In Einzelfällen kann das zimbrische /b/ jedoch das ahd. /b/ wiedergeben, sogar im Anlaut, wie im zimbrischen Verbalpräfix  bo-, zum Beispiel in bolaiban ´bleiben’, oder in einzelnen Lemmata wie z. B. brief ‘Schriftstück’, brìttala ‘Zaum’; letzteres auch in der üblichen ‘regulären’ Form  prìttala. Welcher auch immer der Ursprung des zimbrischen /b/ sei, kann seine phonetische Verwirklichung, aufgrund einer allgemeinen Tendenz zur artikulatorischen Abschwächung der zwischenvokalischen stimmhaften Okklusiven,  von stimmhaftem Okklusiv, zu Approximant oder Frikativ variieren.
  4. Mit ‹ch› wird der stimmlose Velar-Frikativ [x] dargestellt, der im Gegensatz zum Standarddeutschen in allen Zusammenhängen velar bleibt: ich ‘ich’, hòach ‘hoch’, süuchan ‘suchen’ Nach kurzem Velar wird der Frikativ mit doppeltem [x:] ausgesprochen : machan ‘machen’, prichet ‘bricht’.
  5. Mit ‹f› wird das zimbrische /f/ [f] dargestellt, das im Anlaut, in lexikalischen Wurzeln hochdeutscher Herkunft, fast immer vom ahd. /pf/ stammt , wie in fanna ‘Pfanne’, fèffar ‘Pfeffer’, fòat ‘Pfeid, Hemd’. Im In- oder Auslaut spiegelt sowohl das einfache als auch das doppelte ‹f› ahd. /ff/ (< germ. */p/) wider, wie in slaafan ‘schlafen’, trèffan ‘treffen, schlagen’, tief  ‘tief’, huff ‘Hüfte’; oder ahd. /f/  (<germ. * /f/) im Auslaut, wie in bolf  ‘Wolf’, hoff ‘Hof’. Die ahd. Affrikata /pf/ wird, außer im Anlaut, im zimbrischen ‹pf› gefunden, wie bei tropfa ‘Tropfen’, schöpf!  ‘schöpfe!’. Ähnlich wie im mittelalterlichem Deutsch sonorisiert das Zimbrische der Sieben Gemeinden germ. */f/ in stimmhafter Umgebung, einschließlich des Anlautes. Wir bezeichnen dieses Phänomen mit dem Graphem ‹v›, wie in vòam ‘Schaum’, vlaüga ‘Fliege’, vriesan ‘frieren’, óven ‘Ofen’, bölve ‘Wölfe’. Obwohl das zimbrische /v/ ein autonomes Phonem in Bezug auf das zimbrische /f/ ist, scheint die alte historische Verbindung zwischen den beiden noch deutlich im morphophonologischen Wechsel zwischen auslautendem -f und inlautendem -v- zu sehen, wie in bolf ‘Wolf ‘ → bolve, bölve NApl. Wie oben erwähnt, neigten die letzten Sprecher von Mezzaselva im Allgemeinen dazu, das zimbrische /v/ als zimbrisches /b/auszusprechen., aber die historischen Belege versorgen ein ausreichendes Zeugnis der ursprünglichen differenzierten Aussprache. Darüber hinaus spiegelt unsere orthographische Entscheidung auch die Situation der anderen zimbrischen Sprachinseln wider.
  6. Mit dem Graphem ‹g› versteht man den zimbrischen stimmhaften okklusiven Velarlaut /g/, was im Allgemeinen den ahd. /g/ widerspiegelt: galla ‘Galle’, gèltan ‘zahlen’, glitz ‘Blitz’, grap ‘Grab’, zòogent ‘(sie) zeigen’, volgan ‘folgen’. Zu beachten ist, dass ‹g› niemals im Auslaut vorkommt (siehe auch nächsten Punkt). Darüber hinaus zeigt die Schreibweise ‹ng› im Allgemeinen den velaren Nasallaut an, der im Zimbrischen der Sieben Gemeinden als ‘doppelt’ artikuliert wird, also [ŋ:]: zunga ‘Zunge’, énge ‘eng’, vorgìbinge ‘Verzeihung, Vergebung’. Die von Kranzmayer durchgeführte phonologische Analyse hat die ursprüngliche Existenz eines zimbrischen Phonems /ǥ/ aufgeklärt, eines stimmhaften velaren Frikativs [ɣ], anders als das zimbrische /g/, ein stimmhafter okklusiver Velarlaut [g]; der erste davon ist aus dem ahd. /h/ im Inlaut oder auf jeden Fall in stimmhaftem Kontext entstanden, wie in vighe ‘Vieh’, zieghan ‘ziehen’,  schuughe ‘Schuhe’, ghane ‘nahe’. Im Auslaut geht dieses Phonem ins zimbrische /kx/ über (siehe nächsten Punkt): ziekh! ‘zieh!’. In inlautender unbetonter Silbe kann das zimbrische /ǥ/ auch das Erzeugnis der Lenition des ursprünglichen /x/ sein, wie im Fall des Fürwortes ich ´ich ‘, wenn enklitisch verwendet und von anderen Enklitika gefolgt wird: gìbighadarz ‘gebe ich es dir’. Was die Grapheme ‹g› und ‹gh› betrifft, die in der Vergangenheit nach nicht immer klaren, oft vom italienischen Gebrauch beeinflussten Prinzipien  verwendet wurden, wird ihnen durch unsere Normalisierung eine durch die Etymologie begründete und durch die phonologische Analyse früherer Gelehrter unterstützte Unterscheidungsfunktion zugeschrieben. Bei den letzten Sprechern von Mezzaselva war der Unterschied zwischen zimbrisch /g/ und zimbrisch /ǥ/ zumindest nicht sehr gut wahrnehmbar, da selbst die stimmhaften Okklusive intervokalisch eher als Approximanten oder Frikative ausgesprochen wurden.
  7. Die orthografische Unterscheidung zwischen ‹k› [k] und ‹kh› [kx], die von Martello und Bellotto bereits systematisch übernommen wurde, wurde akzeptiert. Sie beruht auf der realen Existenz zweier verschiedener Phoneme, wie bereits von Gelehrten der zimbrischen Sprache in der Vergangenheit beobachtet wurde. Diese Unterscheidung wurde jedoch in der traditionellen Schreibweise des 19. Jahrhunderts nicht immer beachtet. Die Entscheidung stimmt auch mit der in Lusern geltenden orthographischen Norm überein. Das zimbrische Phonem /k/ kommt in verschiedenen romanischen Lehnwörtern des zimbrischen Lexikons vor, wie z.B. katzadóar ‘Jäger’, kampìgol, ‘Lichtung, Rodung’; aber auch in zahlreichen Wörtern hochdeutschen Ursprungs, bei denen es sich um das erwartete Ergebnis der Konsonantenverschiebung handelt: ahd. /g/ [g]> [k]. Im Zimbrischen kann diese Entwicklung jedoch nur im Fall von Verdoppelungen als regulär definiert werden, deren Ergebnis immer ‹kk› [k:] ist, wie in ékke ‘Kuppe, Gipfel’, rukko ‘Rücken’, prukka ‘Brücke’; ansonsten wirkt sich das ahd. /g/ häufiger im Zimbrischen als /g/ aus (siehe vorherigen Punkt). Jedoch in gewissen Fällen erscheint ahd. /g/ als ein stimmloser Okklusivlaut /k/ im Zimbrischen, auch wenn er nicht verdoppelt ist, oder als Folge von Assimilierungsprozessen, wie in geenan ‘gehen’ → inkeenan ‘fliehen’ (<ahd. int-), oder aus Gründen, die nicht ganz klar sind, wie in klóoban ‘glauben’, kan ‘nach, in’, slénka ‘Schleuder’. Vom synchronischen Standpunkt aus gesehen bilden zimbrisches /g/ und zimbrisches /k/ zwei getrennte Phoneme, obwohl sie diachronisch von demselben zimbrischen Phonem /g/, als allophonische Varianten abgeleitet sind. Der Digraph ‹kh› stellt hingegen den regulären oberdeutschen Ausgang der hochdeutschen Entwicklung des germanischen */k/ dar, wie in khèmman ‘kommen’, khlàmara ‘Klammer’, khnia ‘Knie’, khraütze ‘Kreuz’; oder des germanischen */kk/, wie in akhar ‘Acker’, sakh Sack’’. Im Auslaut stellt das zimbrische /kx/ wie im frühmittelalterlichen bayerischen Dialekt das Hyperphonem dar, in welchem die phonetischen Realisierungen aller Velarkonsonanten zusammenkommen, mit Ausnahme des stimmlosen Frikativs /x/ ‹ch›: sakh- sakh ‘Sack’, haak- haakh! ‘hake an!’, bèg- kh ‘Weg’, spring-sprinkh!’spring!’.
  8. Das Graphem ‹p› repräsentiert den stimmlosen bilabialen Verschlusslaut [p], der meistens aus dem ahd. /b/ [b] > [p] stammt, infolge der hochdeutschen Lautverschiebung. Diese Entwicklung im Anlaut ist mit Ausnahme der unter Punkt c) genannten systematisch aufgetreten: pach ‘Bach’, prèchan ‘brechen’, plint ‘blind’. Im Inlaut wird dieses historische Ergebnis jedoch seltener gefunden: taupa ‘Taube’, khliepan ‘klieben’, lémpar ‘Lämmer’. Manchmal erscheint sogar derselbe Stamm in Formen, in denen sich das zimbrische /p/ und das zimbrische /b/  abwechseln, welche zwar aus demselben ahd. Phonem /b/ stammen, aber jetzt als unabhängige Phoneme im Zimbrischen entstehen: khélpar ‘Kälber’ gegenüber khàlbala ‘Färse’. Im Auslaut geht das zimbrische /b/ in zimbrisches /p/ über: lamp ‘Lamm’ → lémpar (Pl.) vs. stap ‘Stab’ → stébar (Pl.). In ähnlicher Weise entstand die Geminata ‹pp› [p:] diachronisch aus der Entstimmung des ahd. /bb/, einem weit verbreiteten Phänomen im Oberdeutschen: ripp ‘Rippe’, schüppa ‘Schuppe’.
  9. In der Darstellung der Zischlaute wird die traditionelle zimbrische Verwendung der Verteilung der bereits im mittelalterlichen Deutsch vorhandenen Grapheme ‹s› und ‹z› befolgt. Demgemäß zeigt das Graphem ‹s› den stimmlosen alveolar-palatalen Zischlaut, wie in haus ‘Haus’, misse ‘Messe’, stap ‘Stab’, sprunkh ‘Sprung’, snèa ‘Schnee’, sbain ‘Schwein’, rastan ‘rasten’ oder den Stimmhaften, wenn es nicht doppelt ist und sich in prävokalischer Position befindet, wie in haüsar ‘Häuser’, sun ‘Sohn’; während das Graphem ‹z›, im In- oder Auslaut, den stimmlosen alveolaren Zischlaut anzeigt, wie in auz ‘aus’, bizzan ‘wissen’, gòoze ‘Geißen, Ziegen’. Diese Situation wurde in den zimbrischen Varianten von Ljetzan und Lusern beibehalten, aber unter den letzten Sprechern von Mezzaselva hat sich, wie bereits erwähnt, die ursprüngliche Artikulationsopposition (alveolär-palatal gegenüber alveolär) stark geschwächt. Der Laut [ʃ] wird als ‹sch› geschreiben, wie in schraiban ‘schreiben’, schan ‘waschen’, visch ‘Fisch’, und die Affrikata [ts] wird mit ‹tz› ausgedrückt, wie in tzan ‘setzen’, hèrtze ‘Herz’, smaltz ‘Schmalz, Butter’, oder mit ‹z›, wenn am Anfang des Wortes oder in der lexikalischen Wurzel steht; wie in zunga ‘Zunge’, zòogan ‘zeigen’ → gazòoget ‘gezeigt’.

Das Graphem ‹t› steht für den stimmlosen alveolaren Okklusiv [t], der im Allgemeinen die typische Verteilung des Oberdeutschen hat: tochtar ‘Tochter’, untar ‘unter’, hunte ‘Hunde’, pròat ‘Brot’. Im Auslaut  geht zbr. /d/ in zimbrisches /t/ über: stat ‘Stadt’ → stétar (Pl.) vs. rat ‘Rad’ → dar (Pl.).

Rechtschreibung von Lehnwörtern

  1. Der Laut [ʧ], in italienischen Lehnwörtern, ist mit dem Graphem ‹c› dargestellt, wie in cimbro ‘Zimbrisch’. Darüber hinaus benutzt das Zimbrische der Sieben Gemeinden die Affrikata [tç], für welche die Schreibweise ‹tch› angewandt wird. Sie kommt meistens in romanischen Lehnwörtern vor, wie: Tchénne ‘Thiene’ (Ortsname), spòtcha ‘Boccia-Kugel’.
  2. Der Laut [k], hingegen, wird mit ‹k› wiedergegeben, auch in Lehnwörter, wie kreega, ‘Stuhl’, aus venezianisch carèga. Wie oben erwähnt, behalten die Eigennamen ihre ursprüngliche Schreibweise bei, sodass innerhalb dieser Kategorie der stimmlose velare Okklusiv auch mit dem Graphem ‹c› dargestellt werden kann. Ein Beispiel davon ist der Eigenname ‘Candido’.
  3. Die Affrikate [ʤ] wird mit dem Digraph ‹dj› dargestellt, wie im zimbrischen djornaal ‘Zeitung’. Diese orthographische Entscheidung, die mit dem Standard von Lusern übereinstimmt, hat den Zweck die italienische Doppeldeutige Lesung des Graphems ‹g› zu vermeiden (s. nächsten Punkt). Für die Eigennamen gilt hingegen dasselbe, oben eingeführte Prinzip: im Namen ‘Giacomina’ wird die anlautende Affrikate [ʤ] nicht mit dem Digraph ‹dj› dargestellt, sondern werden die Rechtschreibenormen des Italienischen beibehalten.
  4. Der stimmhafte velare Verschlusslaut wird durch das Zeichen ‹g› auch in der Nähe von Gaumenvokalen angezeigt, und zwar sowohl in den Lemmata germanischen Ursprungs (zimbrisch  geenan ‘gehen’) als auch in Lehnwörtern (zimbrisch gisa, ‘Gusseisen’).
  5. Das Phonem [ɲ] wird durch den Digraph ‹nj› dargestellt. Dieser Laut wurde oft mit ‹gn› umschrieben  (siehe Martello, Bellotto 1975), aber um Einklang mit den Schreibweisen von  Lusern herzustellen, wurde hier die Form ‹nj› gewählt. Dieser Laut erscheint zum Beispiel im zimbrischen njanka, ‘nicht einmal’, aus dem venezianischen Dialekt stammend. Man beachte, dass ‹g› auch in dem Digraph ‹gl› den Velarlaut [g] darstellt, wie im zimbrischen glitz ‘Blitz’.
  6. Der Digraph ‹qu› wird wie auch im Italienischen verwendet, um den Laut [kw] anzugeben, wie zum Beispiel im Lemma quintaal ‘Zentner’.
  7. Die Frage der Zischlaute ist ziemlich heikel. In den ursprünglich Zimbrischen Wörtern die Grapheme, die die Zischlaute darstellen, sind mit einer langen literarischen Tradition verbunden. Sie rechtfertigt die Entscheidung, die Zeichen ‹z›, für den stimmlosen alveolaren Zischlaut, und ‹s›, für den stimmlosen oder stimmhaften alveolar-palatalen Zischlaut, zu verwenden. In Bezug auf romanische Lehnwörter ist die Frage aber komplexer. Die italienischen Phoneme [ʧ], [ts] und [ʃ] in den umgebenden Dialekten entwickeln sich unterschiedlich, u.a. zu [s] und [ɕ]. Ebenso können [z], [ʣ] und [ʤ] als [z] oder [ʑ] realisiert werden. Diese Vielfalt spiegelt sich in den romanischen Lehnwörtern des Zimbrischen wider. Um zu vermeiden, weitere Unterscheidungskriterien zwischen den Zischlauten entsprechenden Graphemen einzuführen und damit dem Gegensatz ‹s›/‹z› einen anderen Wert zuzuweisen, als den Gültigen für die Lemmata germanischen Ursprungs, wurde bei romanischen Lehnwörtern entschieden, die Zischlaute in dem einzigen Graphem ‹s› zu vereinen, das wie im Italienischen eine stimmlose und eine stimmhafte Aussprache haben kann: zimbrisch saldo [ˈɕaldo] ‘immer’, zimbrisch valìsen [vaˈli.ʑen] ‘Koffer’. In Fällen, in denen die Affrikata [ts] beibehalten ist, wird diese als ‹tz› dargestellt: zimbrisch matz [ˈmats] ‘Bündel’.

Was die Länge der Vokale in italienischen Lehnwörtern oder aus den umgebenden Dialekten betrifft hat das Zimbrische im Allgemeinen die Länge der Originalsprache beibehalten. Deshalb, wenn der Ton auf eine offene Silbe fällt, ist der betonte Vokal lang, hingegen, wenn der Ton sich in der geschlossenen Silbe befindet, ist der Vokal dieser Silbe kurz. Im ersten Fall wird der Vokal dann im Zimbrischen doppelt geschrieben, wie in passaaran ‘vorbeigehen’, ohne auch den Akzent angeben zu müssen, der immer dem langen Vokal entspricht; im zweiten wird, hingegen, der Vokal einfach sein, wie z. B. zimbrisch bòtta, ‘mal’. Diese letztgenannte Regel gilt auch, wenn auf den betonten Vokal ein Halbkonsonant folgt, wie im Wort faméja ‘Familie’.

Es ist jedoch wichtig darauf hinzuweisen, dass im Fall der romanischen Lehnwörtern, die die betonten geschlossenen Vokale [i], [y], [u] in einer (ursprünglich) offenen Silbe haben, die zimbrische phonologische Anpassung eher in halblangen Vokalen als in langen besteht: zimbrisch gisa ‘Gusseisen’, mütot ‘stumm’, truta ‘Forelle’, kantzùn ‘Lied’ (< vulg.lat.. *-ōne).

Abkürzungen

ahd.: Althochdeutsch, Pl.: Plural, Lat.: Latein, vulg.: vulgär,
zbr.: zimbrisch, germ.: germanisch,
† : das Werk wurde nach dem Tod des Autors veröffentlicht,
Dsg: Dativ singular, NApl = Nominativ/Akkusativ Plural.

Original italienisch: Luca Panieri;
Übersetzung auf Deutsch: Enrico Sartori mit Korrekturen von Luca Panieri.

ISTITUTO DI CULTURA CIMBRA
“Agostino Dal Pozzo”

via Romeo Sartori, 20
36010 ROANA (Vicenza)
Email: Questo indirizzo email è protetto dagli spambots. È necessario abilitare JavaScript per vederlo.

‘Z HAUS DAR ZIMBRISCHEN BIZZEKHOT
“Agustin Prunnar”

Romeo Sartori bèkh, 20
36010 ROBAAN (Viséntz)

Questo sito o gli strumenti terzi da questo utilizzati si avvalgono di cookie. Usando il nostro servizio accetti l'impiego di cookie in accordo con la nostra cookie policy. Dopo l'accettazione si consiglia di ricaricare la pagina. Cookie Policy